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Pink-el Parscephal Pollution - Installation von JANAthan
Meese
Juli 2006
Prof. Dr. sc. tc. h.c. Bazon Brock
Lehrstuhl für
Ästhetik Uni Wuppertal
"Ein junger Vertreter der deutschen Ikonographie. Meese
wird in Hamburg der Öffentlichkeit in aller Ausführlichkeit gezeigt. Zwei
Männer, ein alter Toter und ein junger lebender Weiser. Den selben
Effekt, aber andersherum, nämlich vom Künstler selber iniziiert, bietet
Jonathan Meese in der Aussgrandiosentellung, ich weiß, der 37. in 15
Jahren, in den Deichtorhallen in Hamburg. Er selbst stellt da diese
monumentalen Dimensionen für die Herausstellung seiner Ideen her, mit
Hilfestellung natürlich von Dritten. Es ist schier unglaublich, dass ein
einzelner Mensch von der Größe von 1,75 mit zwei Armen und Beinen so was
fertig kriegt.
Ob's ihm auch gelungen ist? Ja, Mama Johnny, Nomad,
Nomaden, Vater "Nomad Daddy“, das ist biographisch. Er ist zusammen mit
seiner Mutter aufgewachsen, imaginiert sich wie Parsifal den Vater. Die
Mutter will ihn durch Erziehungsmethoden schützen vor der Konfrontation
mit der bösartigen Welt und bewirkt natürlich damit die Faszination dieser
Welt. Jonathan ist ein Parallelbeispiel zu diesem Urmotiv des von der
Mutter vor der Welt beschützten Parsifal. Er ist in dieser Geschichte groß
geworden und was wir sehen, ist eigentlich der Gang zum Gral. Und der Gral
stellt sich als eine ungeheuer große Ansammlung von strahlendem Müll dar.
Das ist eine ganz moderne Interpretation vorallem deswegen, weil die
deutsche Geschichte nicht nur mittelalterlich dieses Motiv darstellte,
sondern eben auch zeitgenössisch. Man muss wissen, dass einer der
Hauptstaatstheoretiker und Großdenker Karl Schmidt, der den Staatskristall
entwickelt hat, Dadaist gewesen ist - ein enger Freund von Dadaisten.
Dieses Zusammenbringen sozusagen hegelscher Großkonstruktionen ,
mythologischer Großformen, erzählerischer Großformen mit dem Prinzip der
dadaistischen Zerlegung, Zerstörung - das ist eigentlich das besondere und
das geht zusammen mit dem alten Begriff der Gnosis. Der Rudolf Steiner
hatte ja jahrelang eine Zeitschrift mit dem Titel "Luzifegnosis", also
Erkenntnis durch die Konfrontation mit dem Bösen, das ist so die
Banalübersetzung, herausgebracht. Und Jonathan Meese stellt sich dieser
deutschen Tradition. Und bringt natürlich eine ganz andere Ebene des
Verständnisses der letzten 100 Jahre ins Spiel. Auch Tachita wartete auf
den der kommt, auch Caspar David Fries' Figuren sitzen und gucken ins
Ferne und erwarten dort etwas. Es ist eine Grundsätzliche Haltung zur
Entwicklung eines Gedankens, doch welcher Gedanke ist es? Ist es
angemessen da von Werk zu sprechen? Kiefer hat erst nach 1985 diesen Zug
zur Gnosis über die jüdische Kabala genommen, das ist schon ein ganz
anderer Ansatz hier.
Hast du nicht die vielen großartigen Malereien
wahrgenommen? Übrigens Kompatements in denen er Werke mit anderen
hergestellt zeigt. Ist es vielleicht so, dass ihr gar nicht mehr erwartet,
dass jemand heute noch mit Pathos sprechen kann? Es ist doch so, dass wir
alle untereinander Pathos nur noch dulden, wenn jemand sich als Opfer
darstellt? Er vermeidet das und hat das Pathos der Täter wieder auf den
Tisch gebracht und versucht uns zur Identifikation mit den Tätern zu
veranlassen, um endlich dieses an jeder Ecke zu haben. Es liegt daran,
dass wir gar keine Voraussetzung haben, so etwas zu verstehen, denn
zwei-drittel aller Namen haben die Leute, die da rein gehen noch nie
gehört. Sie können damit gar nichts verbinden. Ähnlich wie bei Caspar
David Friedrich, den vielen von Börsch-Supan herausgearbeiteten
Sinnschichten oder Attraktionen für die Entwicklung eines
Sinnzusammenhangs kennen die Leute gar nicht, die muss Börsch-Supan
herausarbeiten - das ist bei Meese ganz genau so. Man muss eigentlich
erschließen, was der Zusammenhang zwischen Not.
Das es Müll ist, ist für mich geradezu das Entscheidene,
denn. Das heißt, man muss denken, Theoretisch betrachten. Warum, weil die
die Voraussetzungen haben. Die sind nämlich diese Freaks, diese
merkwürdigen Zwitterwesen, die jetzt vor Caspar David nicht stehen. Wenn
Friedrich uns zwingt, uns selbst zu betrachten als Betrachter in seinen
Bildern, dann ist der Betrachter, der davor steht, genau der Jonathan
Meese. Und die jungen Leute kapieren das alle, denn sie haben in ihren
Phantasien, in ihren spielen genau dieses gesammte Potenzial. Es ist eine
präzise Beschreibung des Zeitgenossen, der vor Caspar David steht. Bei
Caspar haben wir gerufen, dreh dich endlich um Kerl! damit wir ihm ins
Gesicht sehen. Meese hat ihn umgedreht und wir sehen ihm ins Gesicht. Also
ich kann dir sagen, dass selbst ein Fachmann, Kulturwissenschaftler,
Philosoph, bei jeder seiner Setzungen mindestens ein halbes Dutzend
eröffnende Sinnzusammenhänge erfährt, an die wir bisher gar nicht, selbst
als als Spezialist nicht, gedacht haben. Der Mann hat eine unglaubliche
Fähigkeit Quellen zu erschließen, die wir nur noch in einem bestimmten
Sinne lesen, die er völlig naiv und neu ließt - das ist immer das Zeichen
der Genialität, diese Naivität des Zugriffs und damit hat er erschließt
sich. Ich würde meinen, wer es wagt, heute an Hand dieser
Luziergnosis-Theorie. Dass es ein Individuum gibt, dass versucht zusammen
in sich schließen zu lassen, sozusagen wie der Heilige Sebastian, der mit
Pfeilen beschossen wird, der sich darbietet. Aus ihm schießt von Saint
Juste und über Caligula und Baudelaire und Notre Almond alles zusammen was
heute. So sehen sich heute junge Leute, sie sind der Heilige Sebastian auf
die diese Pfeile der Wissenschaft abgeschossen werden. In der Kunst wird
wie man hört nicht von der Kunst geredet und deswegen ist sie bedeutend.
Dies war unsere Hochsommerveranstaltung, wir sehen uns wieder im August,
vielen Dank."
Artikelauszug: Sonnendeck September 2006 von Marko
Schacher
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